Der entfesselte Globus

Quelle: Carl Hanser Verlag
Quelle: Carl Hanser Verlag

Der entfesselte Globus | Ilija Trojanow | Carl Hanser Verlag | erschienen 2008
ISBN 978-3-446-23355-3 | 17,90€ (Hardcover)/8,99€ (E-Book)
Leseprobe und weitere Infos: Hanser

Über Ilija Trojanow:
Trojanow wurde 1965 in Bulgarien geboren. 1971 floh die Familie nach München und erhielt politisches Asyl. Den Großteil seiner Kindheit und Jugend verbrachte Trojanow allerdings in Nairobi. In München studierte er von 1984 bis 1989 Jura, Ethnologie und Havarie und bereiste Anfang der Neunziger Afrika. Ab 1998 lebte er für einige Zeit in Bombay.
Bereits 1993 erschien sein erstes Buch über Afrika und insbesondere seine Zuneigung zu Kenia. Zudem brachte er in einem Verlag, den er gegründet hatte (Marino Verlag) Übersetzungen afrikanischer Autoren heraus. Sein erster eigener Roman erschien 1996.
Er veröffentlicht regelmäßig Texte in unterschiedlichen Zeitungen und lebt mittlerweile in Wien.
Quelle und weitere Infos: Website von Ilija Trojanow

In Der entfesselte Globus berichtet über Erfahrungen, die er gemacht und zwar von seiner Kindheit in Nairobi an. Dabei geht es nicht nur um das reine Berichten, sondern auch darum, mehr über die Hintergründe von Geschehnissen und Situationen zu erfahren. Iljia Trojanow ist viel in der Welt herumgekommen und das spiegelt sich in diesem Buch wieder, das von Nairobi über Indien bis nach Bulgarien reicht.

Ich finde es unglaublich schwer, für dieses Buch eine Rezension zu schreiben (und schiebe es schon seit ein paar Tagen vor mir her). Ich kann nicht wirklich in Worte fassen, wie sehr mich dieses Buch beschäftigt.
Mit den Anekdoten und Erfahrungen über die Trojanow hier schreibt, führt er dem Leser vor Augen, wie absurd die westliche Welt oft ist und spricht dabei sowohl hochaktuelle Themen an, als auch Dinge, die mir nie bewusst waren, bevor ich dieses Buch gelesen habe.
Wenn ich an die Lektüre zurückdenke, so hat wohl eine Episode aus Südafrika bei mir am meisten Eindruck hinterlassen. Trojanow berichtet, wie sich ganz Südafrika über den Gewinn der Rugby-WM durch ein „weißes“ Team freute, während vier Jahre später Weiße jubelten, als die „schwarze“ Fußballmannschaft ein Spiel verlor. Vielleicht hat mich diese Geschichte so sehr beschäftigt, weil Rassismus auch in Deutschland zu einem immer präsenteren Thema wird und sie letztendlich auch aufzeigt, wie weit Rassismus gehen kann. Vielleicht aber auch, weil ich (naiv wie ich bin) immer noch denke, dass die Welt besser wird. Ich habe in der Schule über die Apartheid in Südafrika gelernt, habe Nelson Mandelas Autobiographie gelesen und hatte irgendwie immer das Gefühl und die Hoffnung, dass dieser extreme Rassismus in der Vergangenheit liegt. Es ist auch, als hätte man mir ein Tuch von den Augen gerissen und mich mit der Wahrheit konfrontiert.
Das ist etwas, was in diesem Buch häufiger geschieht – dass Trojanow unangenehme Wahrheiten ausspricht. Egal ob es nun um Rassismus in Südafrika, Slums in Indien, die Ignoranz des Westens gegenüber den Problemen, die er hervorgerufen hat, oder die sowjetische Vergangenheit Bulgariens geht: der Autor spricht Dinge an, die mir, zugegebenermaßen, oft nicht bewusst waren (ich habe mich noch nie ernsthaft mit der Vergangenheit Bulgariens auseinandergesetzt) und die vermutlich in den angesprochenen Ländern auch als beleidigend (in Ermangelung eines besseren Wortes) aufgefasst werden können.
Möglich, dass ich sehr naiv bin, möglich auch, dass ich gerne die Augen vor der Wahrheit verschließe – dieses Buch hat in mir den Wunsch geweckt, über den Tellerrand hinauszuschauen und etwas zu lernen über die Welt außerhalb meiner kleinen, gemütlichen Blase, in der ich alle Annehmlichkeiten habe, die ich mir wünsche, mir noch nie einen Schlafplatz aus Müll bauen musste oder wegen meiner Hautfarbe als minderwertig angesehen wurde.
Für mich war Der entfesselte Globus ein sehr aufrüttelndes Buch. Ich gebe gerne zu, dass ich ein absoluter Geschichtsfreak bin und stellt man mich vor die Wahl, Geld für den Besuch einer Burg auszugeben oder Klamotten einzukaufen, dann würde ich immer die Burg wählen. Ich denke auch nicht, dass es falsch ist, sich zu informieren und Bescheid über die Vergangenheit zu wissen – obwohl ich dann oft den Kopf gegen die Wand hauen könnte, weil die Menschen immer wieder die gleichen Fehler machen – und ich die Hoffnung habe, einer der Menschen werden zu können, die aus der Vergangenheit lernen. Aber dieses Buch hat mir doch auch gezeigt, dass es wichtig ist, Bescheid über die Gegenwart zu wissen und sich auch darüber zu informieren, was im Hier und Jetzt passiert – über das hinaus, was in den Nachrichten berichtet wird. Vielleicht auch mit der Hoffnung, dass man aus Fehlern lernen kann, die Menschen in genau diesem Augenblick machen (obwohl dann natürlich wieder zu entscheiden steht: was ist denn ein Fehler?).
Obwohl die Geschichten nicht „spannend“ sind, wie man es bei einem Krimi sagen würde, schafft Trojanow es, den Leser richtiggehend in das Geschehen zu ziehen. Er schreibt sehr anschaulich, sodass man die Personen, über die er berichtet, vor sich sehen kann.

Ein lesenswertes Buch, das ich mir sehr zu Herzen genommen habe und das mich noch immer beschäftigt und dies vermutlich auch noch für ein Weilchen tun wird. Ich kann es nur empfehlen, wenn man sich kritisch mit der Gegenwart auseinandersetzen möchte – und meiner Meinung nach sollte man das unbedingt tun.

5Sterne

3 Kommentare zu „Der entfesselte Globus

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